Kann der Calliope mini feststellen, ob er auf der ISS oder auf der Erde ist? Also z. B. das hier machen?
Dieses Projekt wurde im Rahmen eines Kurses der Junior Uni Essen beim CalliopEO-Wettbewerb eingereicht.
Und die Aufgabe klingt verdächtig simpel. Aber woran soll der Mini erkennen, wo er ist? Temperatur, Licht, Luft, Lautstärke, all das kann ja innerhalb der Raumstation nicht komplett anders sein, immerhin müssen die Astronaut*innen dort leben können. Einzig (dauerhafte) Schwerelosigkeit, die gibt’s bei uns nicht!
So, wie Detektive beweisen wollen, dass der Mörder am Tatort war, wollen wir also einen Beweis dafür bekommen, dass der Calliope schwerelos war bzw. ist! Dafür braucht er bestimmt seine Sensoren! Nachdem Mikrofon, Thermometer und Co. mit Schwerelosigkeit nicht viel zu tun haben, bleibt irgendwann der Kombi-Sensor aus Magnetometer, Gyroskop und Beschleunigungsmesser als Kandidat übrig... Aber wer von den Dreien kann uns helfen?
- Der Kompass würde auf der ISS sicher die Himmelsrichtung anzeigen, das Magnetfeld der Erde reicht noch viel weiter ins All. Das ließe sich aber auch mit Hilfe eines Flugzeugs simulieren, welches den Kurs der ISS "nachfliegt". Man könnte den Calliope auch einfach mit der Hand drehen. Kein Beweis also.
- Der Lagesensor müsste auf der ISS für jede Erdumrundung einen vollständigen "Kusselkopf" registrieren, weil die ISS immer mit der selben Seite zur Erde zeigt. So könnte man einen Zähler für Erdumrundungen bauen, aber der Calliope könnte auch hier auf der Erde von Hand gedreht werden, das wäre leider auch kein Beweis.
- Also der Beschleunigungssensor…? ;-)
Mal schauen, was der Calliope für eine Beschleunigung anzeigt, wenn er flach auf dem Tisch liegt…
Also das ist doch komisch! Da wird eine Beschleunigung von -1 g auf der z-Achse angezeigt, obwohl der Calliope einfach nur auf dem Tisch liegt! Was soll das denn?
Die Erklärung ist: Der Calliope würde sich ja schon bewegen, wenn der Tisch nicht im Weg wäre! Was der Beschleunigungssensor anzeigt, ist offenbar, dass der Mini durch den Tisch davon abgehalten wird, das zu tun, was er normalerweise tun würde, nämlich wie alles andere auch in Richtung Erdmittelpunkt zu fallen. Nebenbei: Sogar die ISS würde vom Himmel stürzen, wenn sie nicht so schnell im Kreis um die Erde fliegen würde. Nur dadurch wird sie genauso sehr von der Erde weggeschleudert, wie sie von ihr nach unten gezogen wird. Der Beschleunigungssensor misst also relativ zum freien Fall! Das können wir gut gebrauchen :-)
Aber um welche Richtung geht es jetzt: x, y oder z? Die Antwort: nicht eine einzelne davon, denn wenn man den Calliope drehen würde, wären sie ja vertauscht. Man muss alle drei nehmen und zusammenrechnen, und das macht der Block „Stärke“. Man könnte es sogar selbst ausrechnen und sehen, dass der Satz des Pythagoras doch für etwas gut ist ;-). Das hier passiert nämlich „hinter den Kulissen:
Damit ist die Lösung klar! Wenn wir bei einem ruhenden Calliope die Stärke der Beschleunigung anzeigen, bekommen wir auf der Erde 1000 milli-g (also 1 g) zu sehen. Bei Schwerelosigkeit müssten 0 milli-g gemessen werden. Nehmen wir ein bisschen Messtoleranz, z. B. 200 milli-g, also ein Fünftel der Erdgravitation, sieht das komplette Programm so aus:
Und mit diesem Grenzwert kann man das sogar auf der Erde testen. Wenn man den Calliope hochwirft und fallen lässt, ist er ja für einen Moment schwerelos! Er zeigt dann tatsächlich kurz „grün“ an. Lohnt sich, mal auszuprobieren (Auffangen nicht vergessen :-))! Auf der Erde leuchtet die LED ansonsten dauerhaft rot. Auf der ISS (aber nur dort!) müsste sie immer grün leuchten!
Alternativ zur Farb-LED könnte man auch im 5x5-Display den aktuellen g-Wert anzeigen, am besten gerundet auf ganze Zahlen, damit es nur eine einzige Ziffer ist. Normalerweise wird uns eine "1" angezeigt, beim Hochwerfen und Fallenlassen des Minis für eine kurze Zeit eine "0". Wenn wir ihn auffangen, manchmal auch eine "2", er wird ja dabei ziemlich stark abgebremst!
Oder noch schicker: Die Richtung der Schwerkraft in einem dreidimensionalen Koordinatensystem "plotten"! Auf der Erde zeigt die "Nadel" (so, wie ein Kompass nach Norden zeigt) immer nach "unten". Auf der ISS müsste nur der Punkt in der Mitte sichtbar sein:
Das sind jetzt einige Möglichkeiten und auch wenn ein Flug ins All für uns noch einige Zeit unerschwinglich bleiben wird: Solche Experiment bieten doch eine spannende Möglichkeit, auch auf der Erde an den Ausflügen der Menschen in den Weltraum teilzuhaben! Alle Programme sind im Anhang als Quelltext verfügbar.
...ein Update nachdem Matthias Maurer wieder auf der Erde gelandet ist und die Ergebnisse des Experiments vorliegen: Es hat tatsächlich geklappt! :-) Der Calliope mini hat wie vermutet Werte im niedrigen milli-g-Bereich auf allen drei Raumachsen gemessen und somit (annähernde) Schwerelosigkeit festgestellt:
Das Programm "gravity_iss_vs_erde.js" im Anhang enthält nun alle drei oben beschriebenen Anzeigen (3D-Plot, RGB-LED, Anzeige des g-Wertes), die sich mit Taste B umschalten lassen. Zusätzlich schaltet Taste A um zwischen den gerade "live" vom Calliope gemessen Werten und denen, die auf der ISS gemessen wurden und die im Programm ebenfalls gespeichert sind. So lässt sich quasi im "Playback" genau das sehen, was auch Matthias Maurer im Weltall angezeigt wurde! Das hier sind die unterschiedlichen "Modi" mit den entstehenden Anzeigen bei einem flach auf dem Tisch liegenden Mini:
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Thorsten Kimmeskamp
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